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24.02.2020, von Apella AG

Chancen in der bAV werden enorm sein


Roundtable im Schlosshotel Fleesensee

Die betriebliche Altersvorsorge wurde in den letzten Jahren mehrfach von Seiten der Politik gefördert und verbessert. Jetzt ist es an uns, bAV als ersten Baustein zur Ergänzung der Rente flächendeckend zu vermitteln. Die Vermittlung von bAV über den freien Makler soll gerade bei den kleinen und mittleren Betrieben der Hauptvertriebskanal werden. Aber wie soll der Makler am besten vorgehen? Und wo liegen die Stolpersteine? In bereits bewährtem Teamwork moderieren Prof. Dr. Hans-Wilhelm
Zeidler, Aufsichtsratsvorsitzender der Apella AG, und Lenard von Stockhausen, Chefredakteur der finanzwelt, diesen Roundtable im Schlosshotel Fleesensee.

Teilnehmer waren:

Karsten Rehfeldt, Geschäftsführer bbvs GmbH, Rentenberater
Wolfgang Hanssmann, Vorstandsvorsitzender der HDI Vertriebs AG
Ralf Berndt, Vorstandsmitglied der Stuttgarter Lebensversicherung a. G.
Bernd Steinhart, Leiter bAV Vertrieb bei der WWK

finanzwelt: Zum Anfang die wichtigste Frage: Warum ist das Thema bAV so interessant für den Makler?
Wolfgang Hanssmann» bAV ist ein Thema, das politisch über alle Parteigrenzen hinweg angesehen ist. Es hat ein hohes Standing. Deswegen glaube ich fest, dass bAV ein Zukunftsmarkt ist. Bei anderen Zukunftsthemen weiß man ja nicht so genau, wie sich die Politik regulatorisch positioniert. Man konnte aber 2018 mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz und 2019 mit der Senkung der Sozialversicherungsbeiträge auf Betriebsrenten erkennen, dass die Politik durchaus in der Lage ist, sinnvoll Weichen zu stellen. Somit ist bAV unabhängig vom Kanal ein Zukunftsmarkt. Jeder Makler, der Altersvorsorge macht und im Gewerbegeschäft präsent ist, muss das Thema drauf haben.

finanzwelt: Was kann er denn machen, damit er dieses Geschäft betreiben kann?
Ralph Berndt» Die Maklerin/der Makler braucht natürlich eine fachliche Grundexpertise. Und wenn ich entsprechende Partner habe, auf die ich mich stützen kann, wie z. B. Apella, dann ist es für mich als Makler ausreichend, wenn ich den Bedarf identifiziere, die entsprechenden Firmen anspreche und dann auf die Fachleute bei Apella zurückgreifen kann. Aber wie für alles, brauche ich trotzdem fachliches Know-how als Fundament.

finanzwelt: Herr Hanssmann, Sie erwähnten keine negativen Aspekte. Aber oft stecken Unternehmen mit ihrer bAV in einer Falle, weil es zu schwierig ist, diese zu finanzieren. Die Zurich wollte mal einen britischen Versicherer kaufen. Sie hat ihn aber nicht gekauft, obwohl er perfekt ins Profil gepasst hat. Warum? Weil deren Altersversorgungsansprüche so hoch waren, dass das unkalkulierbar wurde?
Hanssmann» Es kommt auf das Modell der bAV an. Unternehmen haben evtl. Probleme, wenn sie Pensionszusagen gegeben haben, also wenn sie selbst „Versicherer gespielt“ und dann vielleicht sogar noch BU-Risiken in die Bücher genommen haben, die nicht ausfinanziert sind. Aber ich gehe jetzt mal von der einfachen Entgeltumwandlung als Direktversicherung aus, beispielsweise mit unserem Modell des Förderhoppings, das Arbeitnehmern in der bAV zusätzlich die Riester-Förderung ermöglicht. Das halte ich aus Arbeitgebersicht für einfach und effizient.

Berndt» Aus solchen Versorgungswerken entstehen in der Tat manchmal die beschriebenen Probleme bei den Pensionszusagen. Vielen Firmen fällt es mittlerweile schwer, Pensionszusagen im heutigen Umfeld zu finanzieren, weil sie in der Regel nicht komplett ausfinanziert worden sind. Das zweite Problemfeld sind die Pensionskassen. Diese haben Garantiezinsen versprochen, im Prinzip genau wie bei den Lebensversicherungen, nur mit dem Unterschied, dass die regulierten Pensionskassen nicht ihren Garantiezins senken mussten. Deshalb waren sie sehr lange noch mit einem extrem hohen Garantiezins von z. B. 3,5 % unterwegs. Aber wir sprechen doch nicht darüber, dass ein Makler zu Großindustriebetrieben geht, um dort betriebliche Altersversorgung zu beraten. Wir sprechen über den Mittelstand, bei dem es nachgewiesenermaßen keinen großen Verbreitungsgrad gibt. Und da reden wir über Direktversicherungslösungen, die von dieser Problematik nicht betroffen sind.
Bernd Steinhart» Früher hat man gesagt, man stellt eine „Betriebsrente“ zur Verfügung. Darunter versteht man eine tatsächlich zugesagte Leistung, vom Arbeitgeber finanziert und in 90 % aller Fälle nicht ausfinanziert. Wir waren letztes Jahr im Sommer zu Besuch bei einer Firma, hier hat der Firmenchef eine Betriebsrente mit Anwartschaftsdynamik und mit Rentendynamik zugesagt. Die Bilanz besteht jetzt zu 88 % aus Rentenversprechen. Die Firma ist „quasi“ insolvent. Im Gegensatz dazu reden wir hier von einer Entgeltumwandlung mit Arbeitgeberbeteiligung. Da ist das Wort „Haftung“ völlig fehl am Platze. Die bAV hat in den letzten Jahren nur deswegen einen Negativ-Touch erfahren, weil viele Berater die zweite Phase/Halbzeit der bAV nicht so beraten haben, wie man es hätte tun müssen. Wenn ich sage ‚Sie kaufen ein Auto‘, aber ich sage nicht, dass das Auto Sprit braucht, ist es genau das gleiche.

Berndt» Grundsätzlich ist das Thema bAV positiv belegt, weil jedem klar ist, dass wir zur Ergänzung der gesetzlichen Rentenversicherung zusätzliche Altersvorsorge benötigen. Die Politik sieht eine sehr große Chance in der betrieblichen Altersversorgung. Deswegen kann ich nur noch einmal das unterstreichen, was Herr Hanssmann gesagt hat: Die Chancen in der bAV werden enorm sein – größer als in der Schicht drei oder auch bei Riester. Die bAV ist das Zukunftsthema, weil es uns über die bAV gelingen kann, das auf die Beine zu stellen, was die Politik von uns als Branche erwartet: eine flächendeckend ergänzende Altersversorgung.
Steinhart» Für eine flächendeckende Altersvorsorge muss auch die Finanzierbarkeit gewährleistet sein. Firmen unter 200 Mitarbeiter haben häufig keine ‚aktiv vom Arbeitgeber unterstützte‘ bAV – damit hat die bAV in diesen Betriebsgrößen eine schlechtere Durchdringungsquote. Warum ist das so? Weil derjenige, der 1.200 Euro netto verdient, nicht in der Lage ist, 100 Euro netto auf die Seite zu legen. Das ist eine sozialpolitische Aufgabe, welche wir alle gemeinsam lösen müssen.
Karsten Rehfeldt» Das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) hat gerade eine Umfrage gemacht zum Thema Altersversorgung und zum Vertrauen in die Altersversorgung. Da hat die bAV besser abgeschnitten als die gesetzliche Rentenversicherung. Es ist mittlerweile auch bei den einfachen Leuten angekommen, dass man, wenn man überhaupt zusätzliche Altersvorsorge betreiben kann, das nur über die bAV machen sollte.

finanzwelt: Wir reden ja über den Mittelstand. Wie kann der Makler da sein Potenzial erkennen? Und die entscheidende Frage: Wie kann er den Mittelstand überzeugen? Wenn es noch keine bAV gibt, wie kann ich den Firmenchef überzeugen, doch eine zu machen?
Hanssmann» Durch die demografische Entwicklung haben wir ja einen Fachkräftemangel. Die Mittelständler müssen ein Bindungsprogramm auflegen, um ihre guten Leute zu halten und zusätzliche Fachkräfte vom Arbeitsmarkt zu gewinnen. Dazu gehört auch eine bAV, in Teilen arbeitgeberfinanziert, oder ein Matching-Modell. Es ist ein MUSS für attraktive Unternehmen, eine attraktive bAV anzubieten.
Berndt» Es gibt schon aus dem Betriebsrentengesetz – also noch vor dem Betriebsrentenstärkungsgesetz – die Pflicht des Arbeitgebers, eine bAV anzubieten. Die besteht weiter. Sie ist jetzt um die Verpflichtung des Arbeitgebers ergänzt worden, die Sozialversicherungsersparnis an die Arbeitnehmer weiterzugeben. Also habe ich quasi schon einen vorprogrammierten Arbeitgeberanteil. Das ist ein hervorragender Gesprächseinstieg, gepaart mit dem Nutzen im Sinne der Mitarbeiterbindung und des Findens von neuen Mitarbeitern. Mit nur einer Frage: ‚Wie haben Sie bisher das Thema bAV geregelt?‘ hat man sofort einen Einstieg.

Hanssmann» Die Finanzierung der Betriebsrente ist sicherlich ein wichtiges Thema. Man muss den Unternehmen natürlich noch aufzeigen, dass bAV-Administration beim Arbeitgeber heute schlank, schnell, sicher und einfach sein kann. Da gibt es gute digitale Instrumente und IT-Dienstleister, um den Chefs den Moloch der Verwaltung abzunehmen und gleichzeitig einen automatisierten Datenfluss zum Versicherer herzustellen. Ein Beispiel ist unser HDI bAVnet.
Rehfeldt» Das ist ein ganz zentrales Zukunftsthema. Man will ja auf der einen Seite dem Arbeitnehmer ein bisschen die Freiheit lassen und dann lässt man mehrere Anbieter zu. Mein größtes Mandat hat 700 Verträge bei 60 unterschiedlichen Versorgungsträgern. Die Personalabteilung ist völlig überfordert damit. Da braucht es eine digitalisierte Verwaltung. Da sind natürlich auch die Versicherer gefordert, die Schnittstellen herzustellen, dass das auch alles digital ohne Medienbruch funktioniert.

finanzwelt: Nochmal zurück zur Ausgangsfrage: In allen Umfragen, die zu Benefits für Arbeitnehmer gemacht werden, ist unter den Top 5 immer die bAV. Aber es mangelt an der Kenntnis der Arbeitnehmer. Wie kann man das ändern?
Rehfeldt» Da liegt der Auftrag des Maklers. Denn kein anderer kann dem Arbeitgeber erklären, wie es funktioniert. Es tut niemandem weh und alle haben was davon. Es gibt drei Aspekte, eine bAV einzuführen. Erstens Mitarbeiterbindung und Mitarbeiterfindung. Der zweite Aspekt ist, was Herr Berndt schon erwähnte, die Rechtssicherheit. Denn ich muss mittlerweile etwas anbieten. Das dritte ist der soziale Aspekt. Jetzt nehmen wir mal den Geringverdiener, der 2.200 Euro brutto verdient. Das ist in den neuen Bundesländern schon relativ viel. Der hat eine Rente von 800 Euro zu erwarten. Das ist in 20 Jahren weniger als die Grundsicherung. Der muss zwingend was dazu machen. Alles das wird dazu führen, dass die bAV sich im Wesentlichen verbreitet.
Berndt» Gerade das Thema Geringverdiener liegt ja der Politik sehr am Herzen.
Steinhart» Genau! – Für unsere Spitzenpolitiker ist Altersvorsorge das Wahlkampfthema Nr. 1. Jeder möchte der Überbringer guter Nachrichten sein: Freibetrag, Freigrenze, Förderungen… Die Makler, die wir heute ansprechen, haben die Chance, im Mittestand bAV zu schreiben. Warum? Die
großen Beratungshäuser schreiben vorwiegend arbeitgeberfinanzierte Modelle in großen Firmen. Auf die ‚Niederungen‘ der Entgeltumwandlungsberatung lassen die sich nicht herab.
Hanssmann»Der mittelständische Maklermarkt ist prädestiniert dafür, den Mittelstand zu beraten. Hier kann der Makler punkten.
Berndt» Was mir sehr wichtig ist, weil es oft ein wenig untergeht: Es wurde ja nur die Freigrenze für die Sozialversicherung diskutiert, die jetzt per Januar gilt. Aber zusätzlich gab es eine nochmalige Verbesserung zum Betriebsrentenstärkungsgesetz: Der Steuerzuschuss bei Geringverdienern, den der Arbeitgeber zurückbekommt, wurde ebenfalls angehoben. Das ist noch ein weiteres Argument für den Makler: Er kann dem Arbeitgeber so viel Positives aufzeigen, da muss man jetzt einfach hin.

finanzwelt: Das ist ja eine sozialpolitische Reaktion. Sprich, wenn die eine Versorgung nicht mehr die Stärke hat, die sie in der Vergangenheit hatte, muss der Staat andere fördern. Das macht er durch die betriebliche Altersvorsorge, damit die das auffängt, was die gesetzliche weniger in der Zukunft leisten kann. Das ist schon mal ganz nett als Anfang, reicht aber noch nicht, oder?
Steinhart» Grundsätzlich gebe ich dem Modell für Geringverdiener Recht. An der Praxis läuft dieses Thema teilweise vorbei. Denn wo sind diese Personen überwiegend beschäftigt? In Märkten, wo ich ganz wenig Marge habe: Transport, Logistik, Hotel, Pflege… Wenn ich einem dieser Betriebe sage: ‚Du kannst jetzt 40 Euro für deine Mitarbeiter steuerbegünstigt investieren‘, dann ist die Antwort: ‚Hätte ich vorher auch schon können, aber ich habe die Mittel nicht.‘ Die Steuerrückvergütung ist teilweise gegeben, aber der Arbeitgeber hat die Liquidität nicht, um es zu bezahlen. Nettes Projekt. Losgelöst von der Förderung muss der Arbeitgeber auch etwas dafür tun, damit das Modell weiterläuft. Bei Überschreiten der Einkommensgrenze kann der Arbeitgeber nun weniger bezahlen, da die steuerliche Förderung entfällt. Fazit. Das System ist von Menschen gebaut worden, die noch nie eine Firma selbst geführt hafinanzwelt ben. Es ist schon ein wenig weltfremd. Wir haben in unserem Produktmanagement darüber gesprochen, ob wir eine ‚Geringverdiener-Rente‘ bauen. Unser Aktuar stellt bei der Prüfung fest: Ein durchschnittlicher Lebenslauf zeigt auf, dass die Personen nicht immer und dauernd unter der Einkommensgrenze liegen. Wie lange läuft der Vertrag? Was kommt dabei raus? Wie hoch sind die Kosten, trotz ratierlicher Provision? Der betriebswirtschaftliche Aufwand ist höher als das Rentenversprechen.

finanzwelt: Was kann man denn stattdessen besser machen
Steinhart» So ein Modell brächte einen Makler in eine Beratungsfalle: ‚Bis zu diesem Einkommen kannst du, lieber Arbeitgeber, diesen 40-Euro-Vertrag ratierlich bekommen. Also keine Upfront-Provision. Den Rest würde ich gern mit Provision machen.‘ Da fragt sich der Arbeitgeber, warum wir nicht alles ratierlich machen? Das ist doch gut für den Kunden? Dann würde ich dem Berater wieder eine Einkommensmöglichkeit wegnehmen, die ihm jetzt ermöglicht, das Geschäft lukrativ zu machen.
Berndt» Das sehe ich kritisch. Wenn wir das so der Politik erzählen, dann haben wir uns alle einen Bärendienst erwiesen. Wir bei der Stuttgarter machen es anders und wir machen damit positive Erfahrungen. Es ist an sich richtig, was Sie gesagt haben: Es gibt keine Dynamisierung der Geringverdiener-Grenze. Deswegen können die Arbeitnehmer sozusagen herauswachsen und die Förderung nicht mehr erhalten. Wir haben sehr positive Erfahrungen damit gemacht, dem Arbeitgeber zu erklären, warum er deshalb eine entsprechende Zusage am besten für alle Mitarbeiter macht. Damit bekommen wir dann die gesamte Belegschaft und nicht nur die Geringverdiener. Außerdem ist es unter Umständen auch arbeitsrechtlich ein Problem, zu differenzieren. Bei der steuerlichen Förderung sollte man gemäß Arbeitsrecht alle gleich behandeln. Wenn ich die gesamte Belegschaft habe, habe ich ja auch eine Mischfinanzierung. Auch, was die Vergütung für den Makler angeht. Die andere Diskussion zu führen, in der Hoffnung, es werde sich etwas verändern, ist gefährlich. Damit gerieten wir möglicherweise wieder in eine Diskussion über Vergütung, die nicht zielführend ist.
Rehfeldt» Es ist ganz wichtig, auf den Arbeitgeber zugehen zu können und die Gesamtbelegschaft zu bekommen. Denn erstens sehe ich es auch so, dass der Personenkreis, für den das infrage kommt, doch relativ groß ist. Und ich habe den moralischen Effekt. Ich kann den Arbeitgeber ansprechen und wenn er jetzt tatsächlich nur die 50 % weitergibt und auf seine 40 Euro, die er zahlt, 60 % Förderung kriegt, liegen wir bei einem Nettoaufwand von unter 10 Euro nach Betriebsausgabenabzug. Da kann mir keiner sagen, dass der Arbeitgeber nicht bereit ist, das zu zahlen, wenn man ihn ordentlich berät und ihm erklärt, dass seine Leute dann die Möglichkeit haben, eine ordentliche Altersversorgung zu bekommen.

finanzwelt: Welchen Stellenwert hat denn für Sie die betriebliche Altersvorsorge bei der Bekämpfung der Altersarmut? Wie stark sehen Sie da den Anteil?
Berndt» Ich glaube persönlich, dass die bAV in Zukunft die entscheidende stützende Säule zur Ergänzung der gRV sein wird – quasi als Standardversorgung. Dann wird es noch für die Einkommensstarken, wie auch immer man sie definiert, die Schicht drei geben. Aber der Kern wird im Bereich bAV ablaufen, sicher auch in Kombination mit Riester, damit man es optimieren kann. Aus meiner Sicht ist dieser Weg klar vorgezeichnet.
Hanssmann» Wer bei der bAV ganz außen vor gelassen wird, das sind die Ein-Mann-Selbstständigen. Das sehe ich sehr kritisch. Ich bin grundsätzlich kein Freund der Pflichtversicherung, aber in diesem Fall wäre eine irgendwie geartete Pflicht schon sinnvoll. Natürlich muss der Selbstständige die Wahl haben zwischen gesetzlich und privat. Diese Ein-Mann-Betriebe wie
z. B. Taxifahrer sorgen häufig überhaupt nicht vor und müssen dann irgendwann vom Sozialstaat aufgefangen werden. Da wäre eine obligatorische Vorsorge sowohl für den Einzelnen als auch für die Solidargemeinschaft sinnvoll. Das wird keine bAV sein. Das könnte aber Riester sein, Dritte Schicht oder ein vollkommen neues Produkt. Auf jeden Fall müsste der Solo-Selbstständige nachweisen, dass er vorsorgt.
Steinhart» Die Pflichtversicherung der bAV liegt ja schon in der Schublade. Und unsere Branche hat die Gelbe Karte schon bekommen. Sprich, wenn wir bis 2025 nicht eine vernünftige Durchdringung geschafft haben, wird der Zwang kommen. Mein Kollege Thomas Heß sagt immer: Wie lange habt ihr gebraucht, um 17,4 Mio. bAV-Sparer hinzukriegen? Und wie schnell sind 16 bis 17 Mio. Riester-Sparer reingekommen? Wenn man diese Zeiträume vergleicht, ist es erschreckend. Wir brauchen die bAV. Aber wenn es nach mir ginge, müsste eine 30 oder 50 % Steuerersparnis her. Dann gäbe es ganz andere Förderquoten. Dann hätte ich 150 Euro Sparbeitrag für 50 Euro netto und bekäme bei mittlerer Laufzeit eine Rente raus von 800 Euro.

finanzwelt: Wenn Sie Vorsorge verpflichtend machen wollen für Selbstständige, wie muss ich mir das vorstellen? Welcher Betrag müsste gegeben werden? Und wer sollte das wie überprüfen?
Hanssmann» Wenn ein Selbständiger sich heute freiwillig pflichtversichern würde, würde er als Standard den Regelbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen müssen – das sind unsederzeit ca. 600 Euro pro Monat – und in den ersten Jahren der Selbständigkeit die Hälfte davon. Daran könnte man sich orientieren, zumal die Beiträge ja steuerlich fast voll abzugsfähig sind. Wer sich das nicht leisten kann, dem bleibt immer noch die Möglichkeit, sein tatsächliches Einkommen als Bemessungsgrundlage geltend zu machen.
Berndt» Es ist auch nichts Neues. Es gab bis 1984 eine Versicherungspflicht mit Befreiungsmöglichkeiten. Damals haben wir sehr viele Befreiungsversicherungen abgeschlossen.
Rehfeldt» Wir vergessen auch, dass es im SGB 6 schon ganz viele Selbstständige gibt, die ohnehin schon versicherungspflichtig sind.
Berndt» Nochmal zu Ihrer Frage, wie wir bewerten, was am 1. Januar mit der Sozialversicherungspflicht von Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung in Kraft getreten ist: Ich halte das, was im Bereich der Geringverdiener gemacht worden ist, für positiv. Wir haben noch weitere Vorschläge gemacht: z. B. die Dynamisierung der Einkommensgrenze, damit das mitwächst. Aber zumindest sind zwei wesentliche Punkte jetzt umgesetzt worden: Die Erhöhung des Prozentsatzes der Förderung für den Arbeitgeber, aber auch der absolute Betrag, den er aufwenden kann, ist erhöht worden. Was wir etwas differenzierter betrachten, ist die Sozialversicherungsverbeitragung der bAV-Leistung. Das ist aus unserer Sicht ein erster Schritt, der viel zu kurz gesprungen ist. Der Freibetrag ist viel zu gering und gilt auch nur für gesetzlich Krankenversicherte. Das ist zwar ein erster guter Schritt, der jedoch im Sinne der aktuellen Problemstellung überhaupt nicht ausreicht. Aber ich bin optimistisch, dass im Zuge der nächsten Diskussionen noch weitere Schritte folgen werden.
Steinhart» Wichtig ist, dass wir dran glauben, dass die bAV gestärkt werden muss. Und dann auch die bAV Kapazitäten verstärken und nicht den Arbeitgeber beim Thema Verwaltung allein lassen. Der Arbeitgeber will für die Verwaltung nichts bezahlen. Er will es einfach gemacht bekommen. Unabhängig davon, wie der Dienstleister heißt. Hauptsache, wir erleichtern dem Arbeitgeber die Eintrittshürden. Der Hauptgrund, weswegen ein Arbeitgeber bAV nicht macht, ist nicht das fehlende soziale Verständnis für seine Mitarbeiter, sondern: Angst vor der Verwaltung. Je mehr die Branche es dem Arbeitgeber erleichtert, desto mehr kommt auch die Durchdringung. Wir müssen das Thema für den Sparer einfacher machen. Wir haben für unsere Berater eine Förder-App gebaut, die über alle drei Schichten mit zwei, drei Eingaben klar berechnet, welche Fördersparform für den Kunden die ertragsreichste ist. Welche Förderung bekomme ich? – Ist die Frage in unserem ‚Förder-Dschungel‘, die der Berater dem Kunden einfach und schnell beantworten muss. Nur so kann sich jeder Arbeitnehmer selbst schnell ein Bild dazu machen.
Berndt» Die größte Erleichterung aus meiner Sicht ist ein Kollektiv. Denn wenn ich 50 Mitarbeiter habe und 45 unterschiedliche Versicherer, weil jeder Mitarbeiter sich seinen eigenen Versicherer aussucht, ist die Komplexität gewaltig. Hier hilft es allein schon, daraus ein Kollektiv mit einem Anbieter zu machen. Allein durch die Fluktuation wird das aufweichen.
Rehfeldt» Was mir fehlt ist: Tu Gutes und sprich darüber. Das wäre doch mal eine tolle Sache: Eine Förderung der bAV mit einer entsprechenden Kampagne zu verbinden. Dass die Bundesregierung Plakate druckt. Mittlerweile steht’s ja in der Renteninformation, dass es nicht ausreicht, dass man zusätzlich etwas machen sollte. Aber das muss auch in den Medien sein.
Steinhart» Wir müssen das Thema für den Sparer verständlich machen. Wir haben für unsere Berater eine Förder-App gebaut, die über alle drei Schichten mit zwei, drei Swipes und drei Eingaben ganz klar berechnet, welche Schicht und welche Fördersparform für den Kunden die ertragreichste Form ist, unabhängig davon, welche Kosten dahinterstecken, sondern rein: Welche Förderung bekomme ich? Der Arbeitnehmer kann sich dann relativ schnell selber mal ein Bild für sich machen.


finanzwelt: Guter Übergang zu meiner nächsten Frage: Was tun Sie speziell in Ihrem Bereich, um den steigenden Herausforderungen im Rahmen der betrieblichen Versorgungen gerecht zu werden? Und was tun Sie, um das Thema in den Markt zu tragen?
Steinhart» Wir unterstützen die Berater bei ihrer bAV-Weiterbildung. Wir haben jedes Jahr vier Lehrgänge, wo wir dem klassischen Versicherungsvermittler eine Spezialausbildung innerhalb der betrieblichen Expertenausbildung in Kooperation mit der Deutschen Versicherungs-Akademie geben. Diese Präsenzschulung wird durch Prüfung mit dem Abschlusszeugnis als bAV-Experte anerkannt. Wir investieren auch in die Digitalisierung. Wir entlasten die Makler durch die Vorbereitung von Vergleichsangeboten und Gehaltsabrechnungen bei Firmenprojekten – so hat der Makler Zeit, sich auf die Beratung zu fokussieren und muss nicht selbst Angebote und Gehaltsabrechnungen erstellen.
Hanssmann» Da stimme ich dem Kollegen zu: Wir müssen den Maklern die Fachlichkeit vermitteln. Im Rahmen von ‚#handschlag‘, unserer Digitalisierungsstrategie mit und für Makler, steht unter anderem das Thema bAV im Mittelpunkt von Web- und Präsenzseminaren. Dort transportieren wir genau diese Fachlichkeit.
Berndt» Wir bieten unseren Geschäftspartnern seit einigen Jahren Fachseminare der Deutschen Maklerakademie an. Darüber hinaus haben wir bAV-Experten vor Ort, auf die unsere Partner zugreifen können. Die Makler werden von uns, also auch direkt beim Kunden, unterstützt. Wir bieten beratungssichere Produkte in der betrieblichen Altersversorgung an, auf der Basis der heutigen Gesetzgebung. Da spreche ich explizit die 100 % Beitragsgarantie an, die eben nicht mehr in allen Produkten selbstverständlich garantiert ist. Darüber hinaus machen wir uns stark für die bAV. Dr. Henriette Meissner, die entsprechende Schriften veröffentlicht, ist mittlerweile sehr bekannt. Wir versuchen, das Thema bAV insgesamt, auch auf politischer Ebene, sehr stark als eine gute Lösung zu vermitteln und einen Weg zu finden, wie wir es gemeinsam schaffen können, in der Bundesrepublik den Versorgungsgrad der Bevölkerung nachhaltig zu erhöhen.
Hanssmann» Wir versuchen ebenfalls, unseren Maklern die Berührungsängste mit der bAV zu nehmen. Die klassische Situation ist ja: Ein bAV-Spezialist betritt den Saal und sagt: ‚Heute geht es um ein ganz anspruchsvolles Thema. Alle mal besonders aufpassen!‘ Dann sagen viele: ‚Nicht mein Niveau‘, und schalten innerlich ab. Die bAV hat den Stallgeruch ‚ganz kompliziert‘ zu sein und wenn wir mal ehrlich sind: Einfach ist anders. Das ist aber genau unser Job, ein kompliziertes Thema einfach, aber fachlich korrekt abzubilden.

finanzwelt: Es gibt ja verschiedene Modelle. Fast jeder bietet ja das Tippgebermodell an, wo der Experte berät, der Makler muss sich um nichts kümmern und die Provision wird geteilt. Oder der Makler kommt zum Beratungsgespräch mit, lernt dabei auch etwas. Oder die Variante, der Makler macht die ganze Beratung alleine und der Partner ‚nur‘ die Abwicklung. Da findet sich doch eigentlich jeder Makler wieder.
Hanssmann» Was ist, wenn z. B. ein Makler mit Sitz in Reutlingen auf eine Firma stößt, die deutschlandweit tätig ist? Dann muss er sich ja eines Dienstleisters, z. B. eines sogenannten Abberatungs-Maklers bedienen, weil er selbst die Kapazitäten nicht vorhalten kann, deutschlandweit zu beraten.
Rehfeldt» Man muss alle einfangen. Den Makler rechtlich zu unterstützen, der im bAV-Bereich gut unterwegs ist, weil er eine Ausbildung gemacht hat oder es schon ein paar Jahre macht. Und auch den Makler, der überhaupt keine Ahnung hat von bAV. Ihn ausbilden – auch wir bieten IHK-Ausbildung an – und ihn vor Ort unterstützen. Die obere Ebene bei uns sind alle Rentenberater. Wir haben mittlerweile fünf davon. Sie dürfen jegliche Beratungstätigkeit erbringen, Rechtsberatung, also Versorgungsordnung erstellen, Verträge prüfen. Die nächste Ebene ist der Consultant. Das ist ein ausgebildeter Makler, der hat ein sehr hohes bAV Know-how. Die Parteien müssen sich einigen, wer was macht und dementsprechend, wer wie viel Courtage bekommt. Abgerechnet wird über das Apella-System, jeder haftet für seinen Teil.

finanzwelt: Es ist ja immer noch nicht geklärt, wie es rechtlich überhaupt ausschaut. Wenn ich jemanden berate, dessen Rente nicht reicht. Dann darf ich ja gar nicht darüber sprechen, denn in dem Moment fasse ich rechtlich betrachtet seine Rente an. Meine Frage: Macht es Sinn, erstmal gar nicht über Produkte zu reden? Der Bedarf wird durch einen Rentenberater ermittelt und dann hinterher komme ich als Makler zu ihm und rede über Produkte?
Hanssmann» Ein guter Versicherungsberater, egal welcher Vertriebsweg, spricht ja eh anfänglich nicht über Versicherungen, sondern er nimmt erst die Bedarfssituation auf – kein Wort von Versicherungen! Das ist im Sachbereich, im Lebensversicherungsbereich, im Altersvorsorgebereich so. Erst nach der Analyse redet er über Produkte.
Berndt» Grundsätzlich richtig, aber in einer Firmenansprache bei einer bAV kann ich meines Erachtens schon sehr gezielt auf die Firma zugehen, weil es grundsätzlich ein Thema ist. Es ist ja auch kein Produkt, das ich anspreche, sondern ein Thema, das ich im Rahmen der Analyse aufnehme.

finanzwelt: Es ist auch ein super Zugangsweg, wenn man über den Arbeitnehmer geht. Darauf zielte ja meine Frage.
Rehfeldt» Genau da müssen wir hin. Das haben wir schon 2002 mit der DVAG wahnsinnig erfolgreich gemacht. Das machen einfach zu wenige Makler. Den Arbeitnehmer zum Thema Altersvorsorge beraten und einen ordentlichen Schichtenvergleich machen. Spätestens nach der Sozialversicherung und Freibetrag kommt immer bAV raus. Dann muss ich die Traute haben und mit dem Antrag zum Arbeitgeber gehen.
Steinhart» Um auf Ihre Frage zu kommen: Ich behaupte, dass 90 % der Bevölkerung nicht in der Lage sind, ihre eigene Finanzplanung zu berechnen.
Hanssmann» Die Makler haben einen ganz wichtigen sozialpolitischen Auftrag, nämlich: Das, was in der Schule als ‚financial education‘ versäumt wurde, nachzuholen und dem Kunden grundlegend zu erklären. Richtung GDV: Du lebst 7 Jahre länger als Du denkst. Finanzaufklärung beim Endkunden ist eine der Hauptaufgaben des Versicherungsvertriebs, angefangen beim Zinseszins-Effekt.
Steinhart» Wir machen Seminare oder Webinare, wo wir das Lesen von Rentenbescheiden erklären. Denn zu allererst muss es der Berater verstehen. Sie brauchen Finanzplanungstools. Ganz einfach im Zeitalter der Digitalisierung. Zwei Eingaben: Wie alt bist du? Wie viel willst du später haben? Der Rest ist im Prinzip Schieberegler. Dann wird berechnet: Wie lange lebst du? Sterbewahrscheinlichkeit, Zinseszins, Steuer, Sozialversicherung.
Rehfeldt» Komischerweise sind Rentenberater im letzten halben Jahr durch die Presse gegangen. Der erste Grund ist der: Wir haben im Moment gerade mal 831 zugelassene Rentenberater. Von denen werden in den nächsten zehn Jahren 50 % aufhören. Ein klassischer Rentenberater sieht nämlich auch aus wie einer. Wir haben unglaubliche Nachwuchsschwierigkeiten. Und zweitens ist der Großteil dieser 831 zugelassenen bei der Deutschen Rentenversicherung tätig. Die kennen sich in der deutschen Rentenversicherung top aus. Aber im Bereich Riester, bAV, in der dritten Schicht: null. Wenn bAV ein wichtiges Thema ist, müssen natürlich auch Leute da sein, die es beraten können.

Kategorien: Allgemein bAV bbvs GmbH
Schlagwörter: bAV

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